Der Narrenturm im Alten Allgemeinen Krankenhaus (Altes AKH) in Wien ist ein historisch bedeutendes Gebäude mit einer bewegten Geschichte. Hier sind die wichtigsten Informationen zusammengefasst:
Historische Bedeutung und Architektur
Erste psychiatrische Klinik Kontinentaleuropas
Der Narrenturm wurde 1784 als erste psychiatrische Klinik Kontinentaleuropas auf dem Gelände des Alten AKH errichtet. Er diente der Unterbringung und ärztlichen Versorgung von psychisch Kranken.
Architektur des Rundbaus
Das Gebäude ist ein fünfstöckiger Rundbau mit 28 Räumen pro Etage und schmalen Fenstern. Insgesamt gab es 139 Einzelzellen für die Patienten. Der Narrenturm wird auch als „(Kaiser Josephs) Guglhupf“ bezeichnet.
Kapazität und Nutzung
Der Narrenturm bot Platz für 200 bis 250 Patienten und war der erste Spezialbau zur Unterbringung von Geisteskranken. Die Zellen hatten bei der Errichtung keine Türen und das Gebäude war nicht an das Kanalnetz angeschlossen.
Behandlung der psychisch Kranken im Narrenturm zu Kaisers Zeiten
Der Narrenturm im Alten Allgemeinen Krankenhaus (Altes AKH) in Wien war eine der ersten psychiatrischen Heilanstalten Europas und spielte eine bedeutende Rolle in der Geschichte der Psychiatrie. Dieser Bericht beleuchtet die Behandlungsmethoden und die Lebensbedingungen der psychisch Kranken im Narrenturm zu Kaisers Zeiten.
Fragwürdige Praktiken und Mängel
Die Behandlungsmethoden für psychisch Kranke zu Kaisers Zeiten waren geprägt von Mängeln und fragwürdigen Praktiken. Kälte galt als beruhigend, weshalb die Zellen zeitweise keine Glasfenster hatten und es keine zentrale Beheizung gab. Wasser wurde als negativ für die Irren angesehen, daher gab es keine Wasserleitung im Narrenturm.
Zwangsmaßnahmen und Bestrafungen
Die Behandlungsmethoden umfassten Ketten an den Wänden, Aderlass und Kältebäder, die heute als fragwürdig und eher nach Folter denn nach medizinischer Behandlung erscheinen. “Tobende Irre” wurden in den Zellen mit Bodenringen und Eisenketten zur Fixierung und Ruhigstellung ausgestattet.
Bescheidene medizinische Maßnahmen
Weitere bescheidene Behandlungsmethoden umfassten Diäten, Aderlässe, Abführmittel, kalte Güsse, Eiswasserklistiere und Hydro-Therapie. Ruhige Patienten durften täglich eine Stunde spazieren gehen, und es wurde ein ummauerter Garten “nur für die Irren” angelegt.
Lebensbedingungen und gesellschaftliche Wahrnehmung
Schaulustige und Ausgrenzung
Die Insassen des Narrenturms wurden von Schaulustigen beobachtet und verspottet. Schaulustige lachten über das Verhalten der “Irren” und provozierten sie sogar, indem sie Beleidigungen riefen und einen Insassen mit einem Stock piksten. Dies führte zum Bau einer hohen Mauer um das Gebäude, um die Patienten vor den Blicken der Öffentlichkeit zu schützen.
Hygienische Zustände
Die hygienischen Zustände im Narrenturm waren anfangs problematisch, da die Umsetzung der hygienischen Maßnahmen nicht ideal war. Es gab Probleme mit dem Kanalsystem und der Heizung des Gebäudes.
Reformen und humane Behandlung
Einführung humaner Behandlungsmethoden
Ab 1842, unter der Leitung von Dr. Karl Ritter von Spurzheim, führte die Anstalt eine humane Behandlung ein und beseitigte Zwangsmittel. Dies stellte eine Vorreiterrolle in der menschlichen Behandlung psychiatrisch erkrankter Menschen dar.
Ende der Nutzung als psychiatrische Anstalt
Der Narrenturm wurde bis 1866 als Anstalt für psychisch Kranke geführt. Danach wurden die Patienten in andere Anstalten übersiedelt, und die Nutzung des Narrenturms für psychisch Kranke endete.
Pathologisch-anatomisches Museum
Seit 1971 beherbergt der Narrenturm das Pathologisch-anatomische Bundesmuseum, das 2012 in das Naturhistorische Museum Wien eingegliedert wurde. Die Sammlung umfasst rund 49.000 Objekte, darunter Fehlbildungen, missgebildete Embryos und Moulagen von Haut- und Geschlechtskrankheiten.
Bedeutung der Sammlung
Die Präparate wurden zur Dokumentation und als Anschauungsmaterial für Mediziner verwendet und halfen der Weiterentwicklung in der Medizin. Die Sammlung gilt als die weltweit größte ihrer Art.
Besuch des Narrenturms und Führungen
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Sammlung zu besuchen, darunter selbstständige Besuche während der Öffnungszeiten, Rundgänge mit Medizinstudenten oder Jungärzten und geführte Besichtigungen des Bereichs des Alten AKH und der pathologisch-anatomischen Sammlung des Narrenturms. Führungen bieten Einblicke in die Geschichte des Gebäudes und der Sammlung, wobei auch einzelne Präparate und Krankheitsbilder vorgestellt werden.