Wenn die Tante oder Oma ein Wiener Zuckerl, einen bunten Seidenkracher oder ein fruchtiges Himbeerzuckerl aus der Handtasche zauberten, dann war die Welt in Ordnung. Wie kaum ein anderes Bonbon vereint das Wiener Zuckerl Kindheitserinnerungen und Tradition zu einem nostalgisch-süßen Geschmackserlebnis.
Dass das Bonbon aus Wien die Herzen erobert hat, ist sowohl seiner Sortenvielfalt als auch innovativen Herstellern zu verdanken. Süßigkeiten aus der Zuckerlmetropole Wien waren zu ihren Glanzzeiten sowohl in Österreich als auch weltweit ausgesprochen begehrt, und bald nannten die Österreicher ihre Bonbons nur noch liebevoll „Zuckerl“.
Zuckerlvielfalt made in Austria
Es ist kein Geheimnis, dass Österreich ein Land der Naschkatzen ist. Süßes spielt bekanntlich eine wichtige Rolle in der Lebensart und Küche des Landes, mit Mehlspeisen, Naschereien und Zuckerln versüßt man sich hier besonders gerne den Alltag.
Noch mehr Genuss bereiten Bonbons, wenn man beim Naschen in nostalgische Gefühle und Erinnerungen eintauchen kann. Und so erleben traditionelle Zuckerl aus Wien derzeit eine Renaissance und werden auch von der jüngeren Generation neu entdeckt. Während die einen den Geschmack der Kindheit wieder aufleben lassen, sorgt die anhaltende Retro-Welle für ein Revival der österreichischen Zuckerl-Spezialitäten.
Eine große Vielfalt an Zuckerln ist im Lauf der Jahrhunderte schon über die Theken der Zuckerlgeschäfte gewandert. Einige der bekanntesten Zuckerlsorten sind auch heute noch beliebt wie eh und je, wie die folgende Auswahl der österreichischen Zuckerl-Klassiker zeigt.
- Seidenzuckerl – Das Seidenzuckerl verdankt seinen Namen der typischen, seidig glänzenden Oberfläche. Wie Kunstwerke wirken die gemusterten Kleinode in Polsterform, die auch Seidenkracher oder Krachmandel genannt werden. Der Zucker wird bei der Herstellung gezogen, um Luft in die Masse einzuarbeiten, dadurch erhält das Seidenzuckerl seinen besonderen Biss. Unter der knackig-süße Hülle verbirgt sich ein Kern aus einer cremigen Nuss- oder Kakaofüllung und macht das Geschmackserlebnis einzigartig.
- Wiener Zuckerl – Ursprünglich unter dem Namen Hellers Wiener Zuckerl bekannt, werden die Klassiker inzwischen von der Firma Englhofer hergestellt. Die traditionellen, länglichen Fruchtbonbons im unverkennbaren, blauen Zuckerlpapier sind in sechs Geschmacksrichtungen erhältlich und enthalten eine köstliche Füllung aus Fruchtmasse.
- Walzenzuckerl – Die fröhlich bunten Walzenzuckerl in verschiedenen Fruchtformen sind ein Stück österreichische Bonbon-Geschichte. Neben aromatischen Himbeerzuckerln erfreuen viele fruchtige Geschmacksrichtungen wie Orange, Zitrone oder Traube die Schleckermäuler.
- Firn Bonbons und Eiszapfen – Im Sortiment der österreichischen Bonbon-Klassiker nehmen die Zuckerln der Firma Englhofer einen besonderen Platz ein. Das Firn-Bonbon aus knackig-frischem Pfefferminz mit einer schokoladigen Füllung ist ungebrochen beliebt seit Generationen. Unverwechselbaren Genuss versprechen auch die Eiszapfen mit ihrer typischen, sowohl erfrischenden als auch lieblichen Note.
- Blockmalz – Bereits seit über 140 Jahren gibt es auch das Kirstein Blockmalz Zuckerl. Malz, Zucker, Vollmilch und Kräuter machen das Zuckerl nicht nur vollmundig und schmackhaft, sondern auch zu einer Wohltat für Hals und Rachen, auf die schon Oma bei Halsweh setzte.
So eroberte das Zuckerl die Österreicher – und die Welt
Bereits in der Antike wusste man Süßwaren zu schätzen, die meist aus Honig und Früchten bestanden. Als man im 8. Jahrhundert in Persien begann, aus Zuckerrohrsaft Zucker zu gewinnen, verbreitete sich der rare Rohstoff bald nach Europa. Allerdings war der Genuss der süßen Kostbarkeit vor allem den Adelskreisen vorbehalten.
Eine Innovation im 18. Jahrhundert legte schließlich den Grundstein für die Produktion von Zucker im großen Stil. In Deutschland entdeckte man die Zuckerrübe und entwickelte Verfahren, um daraus Zucker industriell zu gewinnen. Damit stand Zucker schlussendlich der breiten Bevölkerung zur Verfügung.
Rund um den begehrten Rohstoff entstanden bald ganze Industrien und Handwerkszweige, Zuckerbäckereien, Konditoreien und Kaffeehäuser erlebten ihren Aufschwung. Eine zunehmende Zahl von Süßwarenherstellern, die maschinelle Unterstützung bei der Herstellung ihrer Produkte in Anspruch nahmen, etablierte sich ab dem 19. Jahrhundert in Wien.
Gustav und Wilhelm Heller
Ein Unternehmen tat sich dabei durch ein innovatives Verfahren hervor: Die Firma Gustav und Wilhelm Heller benutzte zur Herstellung ihrer Süßwaren Wasserdampf aus der benachbarten Badeanstalt, anstatt den Zucker herkömmlich über offenem Feuer zu erhitzen. Das Unternehmen stieg mit seiner fortschrittlichen Produktion rasch zum führenden Hersteller von Süßwaren in Wien auf, belieferte die gesamte Monarchie und exportierte bis nach Übersee. Genießer auf der ganzen Welt wussten bald Geschmack und Qualität der Wiener Zuckerl zu schätzen.
Zuckerlkult für Kaiser und Volk
Auch ganz oben wurde zu Zeiten der Monarchie das Angebot der Firma Heller begrüßt – denn der Kaiser hatte eine Schwäche für Süßigkeiten und eine Vorliebe für die Zuckerl von Heller. So kam es, dass das Unternehmen nicht nur K.u.k. Hoflieferant wurde, sondern auch als Kammerlieferant den Kaiser persönlich mit seinem liebsten Naschwerk versorgen durfte.
Die Entstehung der Zuckerlgeschäfte
Bald begegnete man dem Zuckerl in Wien überall: bei Straßenhausierern, auf Marktständen und in Süßigkeitenbuden, in Bonbongeschäften und Konditoreien. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts etablierten sich immer mehr Zuckerlgeschäfte, die das Angebot der vielen Bonbonfabriken in einem zuckersüßen, bunten Paradies für Naschkatzen feilboten. Zu Glanzzeiten gab es in Wien um die 400 Zuckerlgeschäfte, die die Bevölkerung mit einer üppigen Auswahl an Naschwerk versorgten.
Tipp: Wissenswertes über Wiener Zuckerlgeschäfte
Wollt ihr wissen, wo man noch das Flair von alten Zuckerlgeschäften fühlen kann? Dann schaut auf Polldis Blogbeitrag über die Wiener Zuckerlgeschäfte!
Ein Walzer fürs Zuckerl – “Wiener Bonbon”
Auch bei festlichen Anlässen spielte das Zuckerl eine Rolle: Bei Zuckerltagen und Bonbonfesten bot man speziell angefertigte „Kaiserbonbons“ mit dem Porträt des Kaisers für einen wohltätigen Zweck an. Nicht zuletzt taucht das Zuckerl auch in der Musik auf, Johann Strauss Sohn widmete den süßen Versuchungen einen Walzer mit dem Titel „Wiener Bonbons“.
Die Wiener feiern ihre Zuckerln beim Bonbonball
Es überrascht auch nicht, dass seit Mitte des 20. Jahrhunderts in Wien der jährliche Bonbonball stattfindet, bei dem nicht nur süße Naschereien im Mittelpunkt stehen, sondern sogar eine Miss Bonbon gekürt wird.
Die neuen Zuckerlmacher: Liebevolle Handarbeit für zuckersüße Glücksmomente
Dass das traditionelle österreichische Bonbon seit einiger Zeit wieder besonders gefragt ist, hat es nicht nur dem aktuellen Retro-Trend zu verdanken. Neben dem einzigartigen Geschmack und den erlesenen Rezepten ist es auch die alte Handwerkskunst, die heute wieder besondere Wertschätzung erfährt.
Inzwischen gibt es wieder einige junge, innovative Hersteller, die das Traditionshandwerk des Zuckerlmachens wiederbeleben. Mit viel Begeisterung widmen sich die neuen Zuckerlmacher dem althergebrachten Handwerk und recherchieren alte Herstellungsmethoden und Rezepte, die fast schon in Vergessenheit geraten sind.
Die Zuckerlwerkstatt
Dass einen die Leidenschaft für das süße Gewerbe überall packen kann, erlebte ein junges Paar aus Wien bei einem Urlaub in Schweden – der Besuch einer Bonbon-Manufaktur nahm die beiden so gefangen, dass sie beschlossen, in ihrer Heimat eine Bonbonproduktion zu starten. So wurde die in Wien ansässige Zuckerlwerkstatt von Christian und Maria Mayer ins Leben gerufen.
Die beiden lernten ihr Handwerk von den letzten verbliebenen Zuckerlmachern Wiens und erhielten Unterstützung vom letzten Eigentümer der legendären Wiener Bonbonfabrik Heller. Wertvolles Wissen und traditionelle Rezepte konnten somit vor dem Vergessen bewahrt werden. Heute ist die Zuckerlwerkstatt nicht nur eine Anlaufstelle für beste Süßigkeiten aus Österreich, sondern auch eine Schau-Manufaktur, in der man den Handwerkern beim Herstellen von Seidenzuckerl & Co über die Schulter schauen kann.
Fazit: Wiener Zuckerln – der zeitlose Genuss
Ob traditionell oder innovativ, die neuen Zuckerlmacher haben eines gemeinsam: Ihre Meisterwerke entstehen in Handarbeit, und jedes Zuckerl ist ein Einzelstück. Altes Wissen und Handwerk verschmelzen in den Bonbons mit frischen Rezepturen zu süßen Genussmomenten.
Wie bei kaum einer anderen Gaumenfreude zeigt sich beim Wiener Zuckerl, dass Genuss zeitlos ist. Mit seiner Mischung aus traditionellem Handwerk und unvergleichlichem Geschmack macht das Wiener Zuckerl Naschen zum süßen Vergnügen mit nostalgischem Charme.